Journalismus in Deutschland
Falsch dosiert
Warum extreme Fotoformate ihre Wirkung verfehlen
Von Michael Schulte
Die Dosierung macht’s: Dieser medizinische Leitsatz gilt offenbar auch für die Bildwahrnehmung. Extreme Fotoformate in einer regionalen Tageszeitung sorgen nur bedingt für mehr Aufmerksamkeit beim Leser. Und die Bildgröße ist keine Garantie, dass der Leser sich an den Fotoinhalt erinnert. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen Eyetracking-Studie mit jugendlichen Testpersonen. Im täglichen Kampf um das wertvollste Gut der Mediengesellschaft – die Aufmerksamkeit des Rezipienten – greifen Zeitungsredaktionen bei der Bebilderung mitunter zu radikalen Mitteln. Nicht selten nehmen Fotos deutlich mehr als die Hälfte einer kompletten Seite ein. Dabei ist das fast blatthohe Foto des argentinischen Profi-Golfers Andrés Romero auf sechs von sieben Spalten im internationalen Sportteil der „Sylter Rundschau“ nur ein Beispiel unter vielen. Solche Extremformate mögen nach Ansicht von Redakteuren und Blattmachern eine starke Anziehungskraft auf den Leser ausüben. Ebenso könnten diese besonders großen Bilder jedoch das Gegenteil bewirken, weil der Rezipient sie möglicherweise als störend oder aufdringlich empfindet.
Die Persönlichkeit der Zeitungsleser
Neue Erkenntnisse zur Mediennutzung von Jugendlichen
Von Karola Graf-Szczuka
Web’n’Walk, Instant Messenger, Video on Demand – angesichts der unzähligen technischen Möglichkeiten, die einen schnellen und flexiblen Informationszugriff erlauben, erscheint die Zeitung wie ein Relikt aus alten Tagen. Auf die befürchteten Leserverluste haben die Zeitungsmacher daher längst reagiert: farbige Bebilderung, Tabloid-Formate und zahlreiche Angebote speziell für die junge Zielgruppe sollen neue Leser locken und Stammleser binden (vgl. u. a. die „Frankfurter Rundschau“).
Eher unbekannt als anerkannt
Empirische Studie zum Einfluss des Deutschen Presserats
Von Ingo Fischer
Wie bekannt und einflussreich der Deutsche Presserat ist, darüber konnte bislang nur spekuliert werden – empirische Untersuchungen fehlten. Im Rahmen der Dortmunder Diplomarbeit „Hüter der Moral – Warum Journalisten den Pressekodex nicht kennen, aber ein Berufsethos brauchen“ wurden nun erstmals Journalisten darüber befragt, was ihnen der Presserat und der von ihm aufgestellte Pressekodex bedeuten. Die Probanden gaben auch an, was sie von einer publizistischen Selbstkontrolle erwarten. Die Ergebnisse der Studie dürften die Bonner Medienwächter alarmieren.
Das Caroline-Urteil setzt sich durch
Der BGH folgt dem EGMR
Von Udo Branahl
In seinem „Caroline“-Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor drei Jahren entschieden, die deutsche Rechtsprechung schütze das Privatleben von Prominenten nicht ausreichend. Dabei ging es um die Frage, ob die Medien Fotos verbreiten dürfen, die Prominente bei privaten Beschäftigungen in der Öffentlichkeit zeigen, etwa beim Stadtbummel, Skifahren oder Einkaufen.
Reformiert das Pressekartellrecht!
Die rot-grünen Novellierungspläne waren besser als ihr Ruf
Von Frank Lobigs
Die Finanzierungsquellen der Tageszeitungen erodieren. Durch gemäßigte Lockerungen des Pressekartellrechts könnte man dem publizistisch unersetzlichen Zeitungsjournalismus in schlechteren Zeiten den Rücken stärken. Die gescheiterten Reformpläne der rot-grünen Schröder-Regierung waren darum besser als ihr Ruf. Die Große Koalition sollte auf diesen Plänen aufbauen.
Vom TV-Magazinfilm zum Fünf-Minuten-Kino
Was Fernsehjournalisten von Hollywood lernen können
Von Rebecca Gudisch
„Ein Fernsehjournalist ist nun einmal kein ‚Titanic‘-Regisseur.“ In diesem Punkt gibt wohl jeder Journalist dem Kameramann Peter Kerstan Recht, vor allem, wenn es um hintergründige Berichterstattung in Wirtschafts- oder Politikmagazinen geht. Fünf-Minuten-Filme über Steuerreform, Schmiergeldaffären und Währungsunion – das hört sich tatsächlich nicht gerade nach Hollywood an.
„Volo werden“ — eine Bestandsaufnahme
Zur beruflichen Sozialisation von jungen Journalisten
Von Annika Lante
Die Regeln des Handwerks beherrscht jeder Berufseinsteiger schon vor seinem ersten Tag im Volontariat: Das Wichtigste zuerst, alle W-Fragen beantworten und eine knackige Überschrift finden. Doch was macht dann das Volontariat aus?
Rätsel und Gewinnspiele verlängern die Werbezeiten
Zur Refinanzierung teurer Rechte
Von Thorsten Schauerte
Aufgrund der strukturellen Veränderungen des Mediensystems und der gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung des gesamten Sportsektors haben sich die Erscheinungsformen des Sportjournalismus und die Anforderungen an ihn in den letzten Jahren gewandelt. In der mittlerweile fast ausschließlich ökonomisierten Medienlandschaft und in der zunehmend mediatisierten Sportlandschaft ist eine Symbiose aus Medien, Sport und werbetreibender Wirtschaft entstanden, deren gemeinsame Handlungsintention auf eine breite Publizität ihrer selbst zielt. Dadurch hat die Sportberichterstattung, wie kaum ein anderes Genre, in ihrer Leistungserbringung einen Spagat zwischen publizistischem Auftrag und wirtschaftlichen Interessen zu bewältigen.
Die Kunst der Verführung
Reportage: Welcher Einstieg reizt zum Weiterlesen?
Von Dorothee Krings
Auf der sechsten Avenue läuft eine junge Frau im cremefarbenen Kostüm zur U-Bahn, spricht über den Verkehrslärm in ihr Handy. Ein Reportagebeginn aus der Süddeutschen Zeitung. Der Leser wird ohne Umschweife in eine Szene versetzt, folgt dem Autor direkt an den Ort des Geschehens. Glaubt man der Fachliteratur, ist ein solcher szenischer Einstieg die beste Variante, eine Reportage zu beginnen. Bei einer Befragung von 150 Probelesern, denen authentische Einstiegssätze zur Bewertung vorgelegt wurden, schneidet aber gerade dieser Satz besonders schlecht ab. Reizt nur wenig zum Weiterlesen, lautet das Urteil der Befragten.
Personalisierung und Skandalisierung
Wirtschaft: Vom Nutzen der Politikberichterstattung
Von Jürgen Heinrich
Triebfeder des menschlichen Handelns ist der persönliche Nutzen des Einzelnen – das ist jedenfalls die Grundüberzeugung der Ökonomie. Entsprechend ist auch die Rezeption der von den Massenmedien verbreiteten Informationen nutzengeleitet: Der persönliche Nutzen der Rezeption ist der individuelle Informations- und/oder Unterhaltungsnutzen, etwa der Nutzwert von Verbraucherinformationen in der Wirtschaftsberichterstattung oder der Nutzwert der Unterhaltung durch die Berichterstattung über die Kanzlergattin in der Boulevardpresse. Was aber ist der Nutzen der Politikberichterstattung?