Medien und Sport
Alles neu?
Editorial
Von Tobias Eberwein
Medienkritik ist nichts Neues. Auch wenn der kritische Diskurs über Journalismus und Medien in der heutigen Erregungsgesellschaft, beflügelt durch web-basierte Themenschleudern wie Twitter oder Facebook, so lebendig ist wie nie zuvor – es gibt ihn schon lange, so lange, wie es Medien gibt. In kaum einem Bereich wurde und wird dieser Diskurs jedoch so lautstark und emotional geführt wie im Sportjournalismus. Warum das so ist, zeigen die Beiträge zum Titelthema dieser Ausgabe des „Journalistik Journals“. „Kein anderes Ressort im Journalismus ist derart von Ökonomisierungs- und Kommerzialisierungsprozessen betroffen wie das Sportressort“, stellt Michael Schaffrath in seiner kritischen Bilanz zur bisherigen Sportkommunikatorforschung fest.
Ruinöser Wettbewerb
Zur Krise der hochschulgebundenen Journalistenausbildung
Von Frank Lobigs
Als Anfang 2011 bekannt wurde, dass das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig seine journalistische Abteilung klein zu schrumpfen plante, entzündete sich an dieser Nachricht auch eine generelle Debatte zur Krise der hochschulgebundenen Journalistenausbildung in Deutschland. Problemdiagnostisch erscheint diese Verknüpfung freilich eher als ablenkend und als allzu „unizentrisch“: Denn was wäre schon eine Halbierung der Studentenzahlen in Leipzig, gemessen an der nach wie vor ungebremsten Hyper-Fertilität der Fachhochschulen bei der Schaffung immer neuer journalistischer Studiengänge?
Zwischen Existenzangst und PR
Eine Umfrage unter den Freischreibern
Von Isabelle Buckow
In Konfliktsituationen bedarf es meist nur weniger Worte, um das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen zu bringen. In der journalistischen Praxis reichten vier Wörter aus, um gar einen ganzen Berufsstand in Aufruhr zu versetzen. Die vier Wörter stammen aus dem Medienkodex, den die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche im Jahr 2006 vorgelegt hat. An Stelle 5 des Kodexes heißt es: Journalisten machen keine PR. Ein Satz, der bis heute für eine aufgeheizte Stimmung unter Journalisten sorgt und für den das Netzwerk Recherche viel Kritik einstecken musste.
Lesermitarbeit im Korsett
Tageszeitungen binden Leser ein, doch ihr Spielraum ist begrenzt
Von Annika Sehl
Online-Kommentare, Votings oder Leserblogs auf Tageszeitungswebsites: Der Bürgerjournalismus hat es vorgemacht, aber schon längst beteiligt auch der professionelle Journalismus sein Publikum verstärkt an der Produktion von Inhalten. Eine empirische Studie analysiert nun erstmals mit einem Methodenmix aus Chefredaktionsbefragung, Inhaltsanalyse und Leitfadeninterviews mit Redaktionsleitern, wie, warum und vor allem mit welchem Ergebnis deutsche Tageszeitungen ihre Leser einbinden – online, aber auch für das Printprodukt. Sie zeigt: Tageszeitungen können über die Formate, die sie anbieten, zu einem guten Teil steuern, was sie von ihren Lesern erhalten.
Eigeninteressen empirisch eruieren!
Kritische Bilanz der bisherigen Sportkommunikatorforschung
Von Michael Schaffrath
Seit fast 40 Jahren beschäftigt sich die empirische Kommunikatorforschung auch mit Sportjournalisten. Trotz dieser relativ langen Zeit fällt die Forschungsbilanz in quantitativer wie qualitativer Hinsicht eher ernüchternd aus, vor allem wenn man die steigende gesellschaftliche Relevanz und die wachsende publizistische Dominanz des Sujets und seiner Protagonisten berücksichtigt. Denn aus den ehemaligen „Außenseitern der Redaktion“ (Weischenberg 1976) sind längst die „Aufsteiger im Journalismus“ (Görner 1995) geworden, von denen mancher sogar zu den „Topstars der Medienbranche“ (Schaffrath 2002) gehört.
„Verkäufer“ oder kritische Berichterstatter?
Anmerkungen zum TV-Sportjournalismus
Von Michael Steinbrecher
Schon vor beinahe zwei Jahrzehnten wurde im ZDF eine Dokumentation mit dem Titel „Die Ware Sport – der wahre Sport?“ (Autor: Falko Fröhner) ausgestrahlt. Viele der damals diskutierten Fragen und Standpunkte sind heute aktueller denn je. Sind Sportjournalisten kritische Berichterstatter oder vor allem Verkäufer ihrer „Ware“? Wie unabhängig sind sie? Sind sie mit Sportlern zu sehr „auf Du und Du“? Entspricht das alte (Vor-)Urteil der Wirklichkeit, dass Sportjournalisten schlecht getarnte Fans sind, die am liebsten selbst eine Sportkarriere gestartet hätten? Wer die Fragen beantworten will, muss vor allem eins tun: Genau hinsehen.
Der Mediensport unter Sexualisierungsdruck
Die redaktionelle und werbliche Darstellung von Sportlerinnen erfolgt zunehmend in erotischen Posen
Von Jörg-Uwe Nieland & Daniela Schaaf
Die Präsentation von Mitgliedern der DFB-Junioren-Nationalmannschaft und der Frauenbundesliga im deutschen „Playboy“ zur FIFA-WM in diesem Sommer folgte einem bekannten Muster: Im Vorfeld von sportlichen Großereignissen soll mittels erotischer Bilder Aufmerksamkeit für den Sport, das Event sowie die Athletinnen generiert werden. Wie enorm der Sexualisierungsdruck ist, den die Medien gegenüber den Veranstaltern und vor allem den Sportlerinnen aufbauen, zeigte sich bereits bei der Auslosung der Spielpaarungen für die Weltmeisterschaft.
„Man bekommt null Informationen, das Thema wird ausgegrenzt!“
Nachfragen, Netzwerke aufbauen, Nähe suchen, ohne sich gemein zu machen: Ralf Paniczek über die Widrigkeiten der Doping-Berichterstattung
Von Angelika Mikus
Journalistik Journal: Sie sind Dopingexperte. Ihr Lieblingsthema?
Ralf Paniczek: Anders formuliert: Womit ich mich immer noch schwer tue, ist die Biochemie. Man muss aber nicht immer Experte sein. Ich finde diesen Begriff eh problematisch. Die besten Biochemiker gibt es nun mal in Köln oder Kreischa. Meine Aufgabe ist es, eine vertrauensvolle Basis aufzubauen. Das klassische Handwerkszeug des Journalisten ist nicht in erster Linie das Erklären, sondern die richtigen Fragen zu stellen. Ich finde, das ist etwas unmodern geworden.
Die erste Social-Media-WM
Stammtisch-Erregung und FIFA-Marketing: Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010 bei Twitter und Facebook
Von Thomas Horky
Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 war die erste Sport-Großveranstaltung der Welt, die im großen Maßstab über Social Media wahrgenommen wurde und sich gleichzeitig dieses neuen Mittels der Kommunikation bedient hat. Zwar erreichte die WM vor allem in den traditionellen Medien die größte Aufmerksamkeit, was sich an Rekordquoten für die weltweiten Fernsehsender bemerkbar machte. Im Fokus standen bei der medialen Beschäftigung mit der Fußball-WM 2010 aber vor allem die weltweit größte Plattform für soziale Netzwerke Facebook und der Microblogging-Dienst Twitter.
Kaum Transparenz im WWW
Wie europäische Medien ihr Publikum online an redaktionellen Prozessen teilhaben lassen – Ergebnisse einer international vergleichenden Studie
Von Tina Bettels, Susanne Fengler, Andreas Sträter & Mariella Trilling
Journalismusforscher fordern, dass Redaktionen und Journalisten Transparenz über ihre redaktionellen Entscheidungen herstellen, um die Glaubwürdigkeit ihrer Publikationen zu erhöhen und die Rolle der Medien in der Gesellschaft zu legitimieren. In der Wissenschaft wird zum einen danach gefragt, ob Medien ihre Verantwortung zur Selbstkontrolle hinreichend wahrnehmen, und ob sie ihr Publikum zum anderen in ausreichendem Maße an redaktionellen Prozessen teilhaben lassen. Nach Klaus Meier sollte „eine Redaktion möglichst viel Licht in ihre Strukturen und Prozesse lassen, die Berichterstattungsbedingungen offen legen, Quellen angeben und die Güte und Eigeninteressen der Quellen diskutieren, Fehler eingestehen und offen korrigieren“, um ihren Nutzern zu ermöglichen, die Qualität journalistischer Produkte besser einschätzen zu können. Auf diese Weise könne das Vertrauen in Journalismus gestärkt werden; in einer Zeit, in der Journalisten im Netz immer stärker mit nicht-journalistischen Anbietern – von Plattformen über Wikis bis hin zu Bürgerjournalisten – um die Aufmerksamkeit der Nutzer konkurrieren.