Titelthema
Briefe, Beiträge, Blogs: Nutzer-Partizipation im Lokaljournalismus
Wie professionelle Journalisten mit Laien-Inhalten umgehen
Von Wiebke Möhring
Nutzer-Partizipation im Journalismus beschäftigt Wissenschaft und Praxis seit einigen Jahren. Vor allem das demokratietheoretische Potenzial von Partizipation steht dabei im Mittelpunkt der Hoffnungen und Erwartungen, die verbesserte Teilhabe an öffentlichen Prozessen und das aktive Ausüben freier Meinungsäußerung – jeder kann sich äußern und, gerade im Internet, auch Plattformen finden oder selber eröffnen, die ihm den Zugang in die Öffentlichkeit ermöglichen. Im Zusammenhang mit Nutzer-Partizipation ist aber auch das Zusammenspiel zwischen professionellem Journalismus auf der einen und Rezipienten, also den Nutzern, auf der anderen Seite von Interesse. Wie reagieren Journalisten darauf, dass plötzlich Laien aktiv teilnehmen am medialen Diskurs und an der Entstehung der öffentlichen, medial vermittelten Meinung? Und wieso wollen Bürger in die mediale Öffentlichkeit?
Fernsehen und Partizipation – ein Zukunftsmodell?
Erste Ergebnisse der Begleitforschung zu nrwision
Von Annika Sehl, Hannah Lobert & Michael Steinbrecher
Die Journalistik steht vor großen Herausforderungen. So viele Umbrüche, so viele Fragen, so viele Forschungsansätze wie selten zuvor beschäftigen uns. Welche Medien werden zukünftig in welcher Intensität zu welchem Zweck genutzt? Wie verändern sich journalistische Berufsbilder und welche neuen, innovativen Formen der Partizipation werden sich auf Dauer etablieren? Die Antworten scheinen sich zu bündeln in der Feststellung: „Die Zukunft liegt im Internet“. Wer beschäftigt sich schon noch mit dem alten, anscheinend so gar nicht im Trend liegenden Leitmedium Fernsehen? Ist dieses Medium überhaupt tauglich, um neue Formen von Partizipation zu erproben? Oder noch grundsätzlicher: Ist das Fernsehen, auch wenn es noch so modern über Flachbildschirme angepriesen wird, in Zeiten von YouTube nicht längst ein Auslaufmodell?
Planlos in die Partizipation?
Eine internationale Studie zum Status quo des Mitmach-Journalismus
Von Thorsten Quandt
„Sie können uns helfen!“ Der Redakteur eines kleinen Special-Interest-Verlags schaut mich erwartungsfroh an. Nach einem Vortrag über ein Forschungsprojekt zu sozialen Netzwerken und Partizipationsformen im Internet hat er mich angesprochen, offenbar mit der vagen Hoffnung, dass der Uni-Experte schon wissen werde, wie man das mit der Nutzerbeteiligung im Netz so macht. Er erläutert mir, dass man im Verlag jetzt „irgendwie Nutzer einbinden“ wolle, aber nicht so recht wisse, wie man das anpacken solle. Auf meine – vermutlich akademisch anmutende – Frage, warum man denn überhaupt Nutzerpartizipation anstrebe, bekomme ich zunächst einen irritierten Blick und dann eine aufschlussreiche Antwort: Weil das die Verlagsleitung halt so wolle.
Die (Wieder-)Entdeckung des Publikums
Neues DFG-Projekt am Hans-Bredow-Institut
Von Nele Heise & Julius Reimer
Der Blog der Tagesschau, die „Leserartikel” auf zeit.de, der YouTube-Kanal von Maybrit Illner – ganz offenkundig hat das Web 2.0 die deutsche Medienlandschaft stark verändert. Anwendungen wie Facebook und Twitter finden zunehmend Verbreitung, neuere Studien zu den großen Verlagshäusern bestätigen diesen Trend. Dabei scheint sich insbesondere die Rolle des Publikums zu wandeln: Rezipienten werden nun nicht mehr nur als Leser, Hörer oder Zuschauer angesprochen, sondern sind immer häufiger auch eingeladen, mitzumachen im Journalismus – sei es als Kommentatoren, Feedback-Geber und Diskutanten oder als Augenzeugen, Experten und Informanten. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um ein Potenzial zur Beteiligung: Erste Nutzerstudien legen nahe, dass ein Großteil des Publikums keinen großen Wert darauf legt, sich einzubringen und mit Journalisten zu interagieren. Diese sind der Nutzerbeteiligung gegenüber ebenfalls nicht immer aufgeschlossen, wehren sich mitunter gegen die Veränderung traditioneller Strukturen hin zu mehr Partizipation.
Eigeninteressen empirisch eruieren!
Kritische Bilanz der bisherigen Sportkommunikatorforschung
Von Michael Schaffrath
Seit fast 40 Jahren beschäftigt sich die empirische Kommunikatorforschung auch mit Sportjournalisten. Trotz dieser relativ langen Zeit fällt die Forschungsbilanz in quantitativer wie qualitativer Hinsicht eher ernüchternd aus, vor allem wenn man die steigende gesellschaftliche Relevanz und die wachsende publizistische Dominanz des Sujets und seiner Protagonisten berücksichtigt. Denn aus den ehemaligen „Außenseitern der Redaktion“ (Weischenberg 1976) sind längst die „Aufsteiger im Journalismus“ (Görner 1995) geworden, von denen mancher sogar zu den „Topstars der Medienbranche“ (Schaffrath 2002) gehört.
„Verkäufer“ oder kritische Berichterstatter?
Anmerkungen zum TV-Sportjournalismus
Von Michael Steinbrecher
Schon vor beinahe zwei Jahrzehnten wurde im ZDF eine Dokumentation mit dem Titel „Die Ware Sport – der wahre Sport?“ (Autor: Falko Fröhner) ausgestrahlt. Viele der damals diskutierten Fragen und Standpunkte sind heute aktueller denn je. Sind Sportjournalisten kritische Berichterstatter oder vor allem Verkäufer ihrer „Ware“? Wie unabhängig sind sie? Sind sie mit Sportlern zu sehr „auf Du und Du“? Entspricht das alte (Vor-)Urteil der Wirklichkeit, dass Sportjournalisten schlecht getarnte Fans sind, die am liebsten selbst eine Sportkarriere gestartet hätten? Wer die Fragen beantworten will, muss vor allem eins tun: Genau hinsehen.
Der Mediensport unter Sexualisierungsdruck
Die redaktionelle und werbliche Darstellung von Sportlerinnen erfolgt zunehmend in erotischen Posen
Von Jörg-Uwe Nieland & Daniela Schaaf
Die Präsentation von Mitgliedern der DFB-Junioren-Nationalmannschaft und der Frauenbundesliga im deutschen „Playboy“ zur FIFA-WM in diesem Sommer folgte einem bekannten Muster: Im Vorfeld von sportlichen Großereignissen soll mittels erotischer Bilder Aufmerksamkeit für den Sport, das Event sowie die Athletinnen generiert werden. Wie enorm der Sexualisierungsdruck ist, den die Medien gegenüber den Veranstaltern und vor allem den Sportlerinnen aufbauen, zeigte sich bereits bei der Auslosung der Spielpaarungen für die Weltmeisterschaft.
„Man bekommt null Informationen, das Thema wird ausgegrenzt!“
Nachfragen, Netzwerke aufbauen, Nähe suchen, ohne sich gemein zu machen: Ralf Paniczek über die Widrigkeiten der Doping-Berichterstattung
Von Angelika Mikus
Journalistik Journal: Sie sind Dopingexperte. Ihr Lieblingsthema?
Ralf Paniczek: Anders formuliert: Womit ich mich immer noch schwer tue, ist die Biochemie. Man muss aber nicht immer Experte sein. Ich finde diesen Begriff eh problematisch. Die besten Biochemiker gibt es nun mal in Köln oder Kreischa. Meine Aufgabe ist es, eine vertrauensvolle Basis aufzubauen. Das klassische Handwerkszeug des Journalisten ist nicht in erster Linie das Erklären, sondern die richtigen Fragen zu stellen. Ich finde, das ist etwas unmodern geworden.
Die erste Social-Media-WM
Stammtisch-Erregung und FIFA-Marketing: Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010 bei Twitter und Facebook
Von Thomas Horky
Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 war die erste Sport-Großveranstaltung der Welt, die im großen Maßstab über Social Media wahrgenommen wurde und sich gleichzeitig dieses neuen Mittels der Kommunikation bedient hat. Zwar erreichte die WM vor allem in den traditionellen Medien die größte Aufmerksamkeit, was sich an Rekordquoten für die weltweiten Fernsehsender bemerkbar machte. Im Fokus standen bei der medialen Beschäftigung mit der Fußball-WM 2010 aber vor allem die weltweit größte Plattform für soziale Netzwerke Facebook und der Microblogging-Dienst Twitter.
Verdrängung, Öffnung, Instrumentalisierung
Was vom Umgang mit der NS-Vergangenheit über den Nachkriegsjournalismus zu lernen ist
Von Horst Pöttker
Keine andere Gesellschaft hatte einer so fürchterlichen eigenen Vergangenheit ins Auge zu blicken wie die deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn professioneller Journalismus die Selbstbeobachtung der Gesellschaft in Form von unabhängiger Fremdbeobachtung ist, wie Siegfried Weischenberg sagt, dann muss vom Umgang des deutschen Nachkriegsjournalismus mit der NS-Vergangenheit einiges zu lernen sein – sowohl über die Entwicklung der deutschen Nachkriegsgesellschaft als auch über die Professionalität ihres Journalismus. Wie sind die Journalisten der Bundesrepublik mit dem NS-Regime und seinen monströsen Verbrechen umgegangen?